Nachhaltige Girokonten
Nachhaltigkeit ist auch im Finanzbereich angekommen
Geht es Euch auch so: ich kann das Wort Nachhaltigkeit nicht mehr hören! Vom Klopapier bis zum Joghurt, alles ist plötzlich laut Werbung nachhaltig. Wenn dem so wäre, würden wir wohl bereits in einer Welt ohne C02-Emissionen, ohne Menschenrechtsverletzungen und anderer unethischer Geschäftspraktiken leben. Ist aber nicht so. Also müssen wir aufmerksam sein und versuchen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Gemäß unserem Motto „Let’s talk about money“ beginnen wir bei unseren Bankgeschäften, und zwar mit dem ersten und häufigsten Produkt, das die meisten Menschen haben (müssen), dem Girokonto. Relativ neu ist, dass es auch nachhaltige Girokonten gibt. Wie kann man sich das vorstellen?
War es lange Zeit so, dass wir unser Geld bei der Bank „abgegeben“ und uns nur noch um die Zinsen gekümmert haben, haben sich auch die Zeiten geändert. Nicht nur, weil wir keine Zinsen mehr bekommen und froh sein müssen, keine Negativzinsen zu bezahlen. Geändert hat sich auch, dass KundInnen zunehmend ein Mitspracherecht bei der Verwendung der Kundengelder haben wollen. Es geht dabei um die Entscheidung, welche Unternehmen und Projekte durch einen Kredit von der Bank finanziert werden sollen.
Der Weg des Geldes
Einen Schritt zurück für all jene, die sich in der Welt der Banken nicht ganz so gut auskennen (wollen). Alle Geldbeträge, die wir KundInnen den Banken zur Verwaltung anvertrauen, liegen nicht einfach herum, sondern müssen „arbeiten“. Was heißt das konkret: Abgesehen von diversen gesetzlichen und regulatorischen Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass Finanzinstitute funktionsfähig bleiben und im Insolvenzfall die KundInnen nicht ihre Einlagen verlieren, verwendet die Bank den Großteil der Gelder für Überziehungskredite, Investitionskredite usw. also Finanzierungen an Private und Unternehmen. Diese müssen dafür Kreditzinsen zahlen, die wiederum u.a. die Kosten der Abwicklung und der laufenden Betreuung abdecken. Vor rund 10 Jahren wurden damit auch die Zinsen an diejenigen gezahlt, die die Gelder zur Verfügung stellen. Aber das ist eine andere Geschichte, mit der wir uns auch einmal näher befassen werden.
Nachhaltiges Girokonto: ja/nein/vielleicht/weiß nicht?
Oder 3 Fragen, die einen Unterschied machen
Was passiert mit meinen Geld, wenn ich mich für ein nachhaltiges Girokonto entscheide?
Ein nachhaltiges Girokonto unterscheidet sich dadurch, dass mit den Kundengeldern ökologisch-soziale-ethische Projekte bzw. Unternehmen finanziert werden. Im Idealfall bekommt man vom Anbieter eine detaillierte Information über die Verwendung der Gelder.
Im Fachjargon spricht man auch von ESG-kompatiblen Finanzierungen. ESG steht für Environment-Social-Governance (Umwelt-Soziales-Unternehmensführung). Um es anschaulich zu machen, ein paar Beispiele worum es dabei geht:
- Environment (ökologische Verantwortung): Klimawandel, Treibhausgas-Emissionen, Energieverbrauch, Abfallentsorgung, Flächennutzung
- Social (soziale Verantwortung): Mitarbeiter, Zulieferer, Einhaltung der Menschenrechte
- Governance (gute Unternehmensführung): Diversität und Struktur der diversen Gremien, wie zB Vorstand und Aufsichtsrat, Unabhängigkeit von Aufsichtsratsmitgliedern, Vergütungspolitik des Managements
Wie kann ich erkennen, dass das Angebot seriös ist?
Wie kann ich als NichtexpertIn sicher sein, dass das Produkt auch wirklich nachhaltig ist und nicht nur ein grünes Mäntelchen umgehängt bekommen hat (Green Washing!)? Hier bietet das Österreichische Umweltzeichen für viele Produkte eine unabhängige Qualitätskontrolle, die durch die Verleihung des Umweltzeichens sichtbar wird. Bereits seit 2004 (!) gibt es das Österreichische Umweltzeichen für nachhaltige Finanzprodukte, und seit Anfang des Jahres kann es auch für nachhaltige Girokonten beantragt bzw. verliehen werden. Als Pioniere fungieren hier das Umweltcenter Gunskirchen und die Bank Austria mit dem Green Konto.
Was kostet es?
Die Kontogebühren sind unabhängig davon, ob dieses nachhaltig ist oder nicht, jedoch abhängig von der generellen Gebührengebarung des Finanzinstitutes. Online-Anbieter, die generell keine Gebühren verlangen, bieten damit etwaige nachhaltige Produkte ebenfalls kostenlos an (Basisprodukt der deutschen, nachhaltigen Smartphone- Bank Tomorrow ist kostenlos).
Konventionelle Banken vs. nachhaltige Banken
Damit stellt sich schlussendlich die Frage, bei wem man ein nachhaltiges Girokonto eröffnen möchte. Hier besteht die Wahl zwischen einer nachhaltigen Bank und einer konventionellen Bank, die nachhaltige Produkte anbietet. Nachhaltigkeitsbanken (zB GLS, UmweltBank, Tomorrow – alle Deutschland) haben sich mit ihrem Geschäftsmodell ausschließlich der Finanzierung von ökologisch-sozialen Projekten verschrieben. Konventionelle Banken beschäftigen sich erst seit einiger Zeit intensiver mit diesem Geschäftsfeld, viele auch deshalb, weil es ausgehend vom EU Green New Deal neue Anforderungen auch an Finanzdienstleistungsunternehmen geben wird. Bei wem man ein nachhaltiges Girokonto eröffnet, liegt an den individuellen Präferenzen. Wichtig ist jedoch, dass man seiner Hausbank den Auftrag gibt, verwaltete Gelder sinnvoll zu verwenden. Die Aufforderung an uns KundInnen lautet daher: „Fragen wir nach und entscheiden wir mit“.
PS: In einem der nächsten Newsletter beschäftigen wir uns konkret mit nachhaltigen Banken.
Zum Weiterlesen:
WWF-Bankenstudie: https://www.wwf.at/de/bankenrating2019/
Österreichisches Umweltzeichen für nachhaltige Finanzprodukte: https://www.umweltzeichen.at/file/Richtlinie/UZ%2049/Long/UZ49_R5a_Sustainable%20Financial%20Products_2020_EN.pdf